Die Zeit des Nationalsozialismus

Als am 30. Januar 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, hatte Lippe bereits einen Monat intensivster NS-Propaganda hinter sich. Nach der Niederlage bei der Reichstagswahl im November 1932 setzte die NSDAP ihren Propagandaapparat einschließlich der gesamten Parteiprominenz -darunter auch Adolf Hitler- gezielt auf den kleinen Freistaat Lippe an, um bei den am 15.1.33 stattfindenden lippischen Landtagswahlen einen Prestigeerfolg zu erzielen. Der gewünschte Erfolg stellte sich jedoch trotz des Propagandaaufwandes nur teilweise ein. Die NSDAP wurde zwar mit knapp 40% der Stimmen stärkste Partei, verfehlte aber deutlich die angestrebte absolute Mehrheit. Das Wahlergebnis sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass große Teile der lippischen Bevölkerung zu dieser Zeit wirtschaftlich und politisch keine Perspektive sahen und daher vermutlich weit mehr als jene knapp 40 Prozent, die die NSDAP gewählt hatten, Hitlers "Machtergreifung" als ein Zeichen der Hoffnung werteten. Die Bewohner Schwalenbergs bildeten da keine Ausnahme.

Der ostwestfälisch-niedersächsische Raum zwischen der Wewelsburg bei Paderborn und dem Bückeberg bei Hameln spielte in der NS-Zeit eine wichtige Rolle; auch Hitler selbst kam immer wieder hierher. Noch als Reichkanzler weilte er wiederholt auf der Grevenburg, unweit von Schwalenberg, und stattete auch dem Ort Schwalenberg im Januar 1934 noch einen Besuch ab. In Hitlers Gefolge kamen weitere ungewohnte Gäste in die Künstlerklause; Parteigrößen, bis hin zum Reichsführer-SS Heinrich Himmler und SA-Stabschef Victor Lutze. Auch der Führer der Deutschen Arbeitsfront, Robert Ley, zählte zu den neu-prominenten Gästen. Schwalenberg und die Künstlerklause wurden zu dieser Zeit aber nicht nur in Politikerkreisen ein Geheimtipp, sondern auch bei anderen Prominenten. Filmstars wie Paula Wessely mit ihrem Mann Attila Hörbiger, dessen Bruder Paul Hörbiger sowie Otto Gebühr, und selbst die Wagner-Schwiegertochter Winifred Wagner, die die Bayreuther Festspiele im nationalsozialistischen Sinne leitete, kamen in den dreißiger Jahren nach Schwalenberg.

Adolf Hitler lässt sich im Januar 1934 auf der Grevenburg nahe Schwalenberg von jung und alt huldigen

Wann Hans Licht zum letzten Mal nach Schwalenberg kam, ist nicht überliefert. Seine Malschule in Berlin wurde nun als "jüdisch" denunziert und in ihren Arbeitsmöglichkeiten eingeschränkt. Auf der Großen Berliner Kunstausstellung, wo der Name Hans Lichts seit der Jahrhundertwende nie gefehlt hatte, fanden sich 1934 schon keine Werke des Künstlers mehr. Ein Jahr später starb Hans Licht.

Eine Malschule gab es in Schwalenberg nach seinem Tod jedenfalls nicht mehr, und es fanden kaum noch neue Künstler den Weg hierher. Gewiss kamen auch nach 1933, vereinzelt bis in den Krieg hinein, während der Sommermonate Künstler in den Ort. Im Jahre 1935 fand sogar noch eine - von Eicke initiierte - Ausstellung der Schwalenberger Maler auf der Burg statt. Doch hatte die Malerstadt ihre besten Jahre zu diesem Zeitpunkt zweifelsohne schon hinter sich. Die humoristische Malerei, die nicht a priori schlecht sein muss, in gewissem Umfang zur Schwalenberger Malerkolonie auch stets dazugehört hatte, jedoch nie das bestimmende Element gewesen war, trat nun sehr in den Vordergrund. Die Schwalenberger Malerkolonie fand kein jähes Ende, als die Nationalsozialisten an die Macht gelangten, aber sie verflachte allmählich. Das mochte mit direkter Zensur wenig zu tun haben – eine Kunst, die von den Nazis als "entartet" hätte verboten werden können, gab es in Schwalenberg kaum. Doch das gesellschaftliche Klima wandelte sich auch in Schwalenberg. Eine Atmosphäre, in der bereits eine kleine witzige Bemerkung zu der durchaus bedrohlichen Frage "Wie haben Sie das gemeint?" führen konnte, ließ wenig Raum für Humor der feinsinnigeren Art. Das dumpfe Element, die schleichende Verrohung der Gesellschaft trat auch in Schwalenberg immer spürbarer hervor. Während der sog. "Reichskristallnacht" im November 1938 klirrten auch in Schwalenberg die Fensterscheiben bei den wenigen jüdischen Mitbürgern, die es hier gab - beispielsweise bei der einst angesehenen Familie Bachrach, die auch zu den frühen Förderern der Schwalenberger Malerkolonie gehört hatte.

Hochzeitsgesellschaft des Juniorchefs Hermann Niedrbracht II. im November 1938 vor der Künstlerklause

Einzelne Künstler, die in Schwalenberg gewirkt hatten, gerieten ebenfalls in Konflikt mit dem Regime. Das gilt insbesondere für Magnus Zeller, der sich in den zwanziger Jahren eher als "Linker" exponiert hatte. Durch seinen Freund Klaus Richter (inzwischen Vorsitzender des Vereins Berliner Künstler) einigermaßen geschützt, konnte Zeller zwar noch weiter arbeiten, aber sein bisheriges Werk galt zum Teil als "entartet" . Er zog sich nach Caputh bei Potsdam zurück und schuf in aller Heimlichkeit regimekritische Bilder wie "Der totale Staat ( Hitlerstaat)" oder "Staatsbegräbnis".

Ludwig Kath bekam Schwierigkeiten, weil er mit einer - wie es nun hieß - "Halbjüdin" verheiratet war; auch sein künstlerischer Stil entsprach nicht dem Geschmack der neuen Machthaber. Kath versuchte sich stilistisch anzupassen, durfte sogar einige Bilder im Rahmen des künstlerischen Begleitprogramms der Olympischen Spiele 1936 zeigen, was letztendlich jedoch seinen Ausschluss aus dem Verein Berliner Künstler auch nicht verhinderte.

Es gab unter den Schwalenberger Künstlern auch mindestens drei Opfer des Holocaust. Der Berliner Maler Berthold Ehrenwerth, der als junger Student 1906 zu den Entdeckern der Schwalenberger Malerkolonie gehört hatte, wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und später in Auschwitz ermordet. Ebenfalls in Auschwitz starb 1942 die bedeutende Künstlerin und Kunsttheoretikerin Carry van Biema. Der Hamburger Künstler Bernhard Loewenherz, der in der Sammlung der Künstlerklause mit etlichen Werken vertreten war, wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und starb dort im darauffolgenden Jahr.

Ab 1943 waren es dann nicht mehr vorwiegend Maler oder Sommerfrischler, die in der Künstlerklause und den anderen Gasthöfen Quartier nahmen, sondern Schutzsuchende aus den bombardierten Städten, wie ein Brief des Künstlerklausenwirts Hermann Niederbracht zur Gewährung eines Ernteurlaubs für seinen Sohn belegt: "...Außer der Landwirtschaft habe ich noch einen Fremdenbetrieb und beherberge z. Zt. ca. 25 Gäste, zum größten Teil Evakuierte aus den gefährdeten Westgebieten. Ich selbst bin 68 Jahre alt und muß mich der Bedienung der Gäste widmen, während meine Schwiegertochter mit zwei Ostarbeiterinnen den Küchenbetrieb führt." Der 2. Weltkrieg endete für Schwalenberg in den ersten Tagen des Monats April 1945. Jene drei schönen Ackerbürgerhäuser am Markt, die bei der Einnahme Schwalenbergs durch die Amerikaner am 4. April 1945 in Brand gerieten, wurden nicht wieder aufgebaut, sondern Jahre später durch Nachfolgebauten ersetzt. Die Künstlerklause, in deren unmittelbarer Nähe es ebenfalls gebrannt hatte, blieb von Kriegszerstörungen verschont. Wahrscheinlich wegen ihres auffälligen Äußeren und als größter Gasthof am Ort wurde sie von den Amerikanern sogleich zum Kasino bestimmt.

Ernst Fritz: Blick auf Schwalenberg mit Mörth im Hintergrund, Federzeichnung, Mitte der dreißiger Jahre (Privatbesitz).